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Werkstoffzustände von Aluminium

Häufig unterschätzt oder nicht bekannt …

… Werkstoffzustände sagen mehr über das Metall aus als man glaubt. Je besser man diese zu deuten vermag, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit von Fehlfertigungen und unkalkulierbaren Kosten.

Hinweis

Dieser Beitrag betrachtet ausschließlich die technisch wichtigen Aluminium Knetlegierungen der Reihen EN AW 1xxx, 2xxx, 5xxx, 6xxx und 7xxx, die in Form von Platten / Plattenzuschnitten z.B. im Formen-, Maschinen-, Werkzeug-, Vorrichtungsbau, etc. Verwendung finden.

Für Dünnbleche, Folien, usw. hat dieser Beitrag nur bedingt Geltung.

Werkstoffzustände sind aktuell in der Norm DIN EN 515 : 1993 verbindlich festgelegt. Die früher üblichen Zustandsbezeichnungen nach DIN 1745-1 sind seitdem nicht mehr zulässig.

Allgemein

Genormte Werkstoffzustände geben Auskunft über:

  • den Herstellungsweg, derzeitigen Fertigungsstand,
  • welche Nachbehandlung (thermisch + mechanisch) erfolgte,
  • welche mechanischen Eigenschaften vorliegen,
  • welche Eigenschaften der Werkstoff aufweist,
  • wie sich das Metall voraussichtlich bei der weiteren Bearbeitung (z.B. Zerspanen) verhalten wird

Wichtige Werkstoffzustände von umgeformten (walzen, schmieden) Aluminium Legierungen

 

Werkstoffzustände „Hxxx“

Zustände Hxxx gelten für alle nicht aushärtbaren, umgeformten Aluminium Werkstoffe (Legierungsreihen EN AW 1xxx,  5xxx). Für Aluminium Gussplatten aus naturharten Aluminium Legierungen gelten die Zustände Hxxx nicht. Werkstoffe in diesem Zustand können durch eine Wärmebehandlung keine weitere Festigkeitssteigerung erfahren. Werkstoffe im Zustand Hxxx sind thermisch unkritisch und können dauerhaft mit Temperaturen bis ca. 120° C belastet werden, kurzzeitig (ca. 4 – 6 h) auch bis ca. 180° C. Danach kann eine schleichende Rekristallisation (Gefügeveränderung) einsetzen.

 

Die wichtigsten Hxxx-Zustände sind:

H111 Geglüht und durch anschließende Arbeitsgänge, z.B. Recken oder Richten, geringfügig kaltverfestigt

Werkstoffe im Zustand H111 können als Walzplatten, Stangen oder Profile aus den Legierungsreihen EN AW 1xxx und 5xxx bezogen werden. Anwendungen finden diese Werkstoffe in der gesamten Investitionsgüterindustrie sowie u.a. im Nutzfahrzeug-, Schiffs- und Behälterbau und auch in der Wehrtechnik

H112 - Durch Warmumformung oder eine begrenzte Kaltumformung geringfügig kaltverfestigt (mit festgelegten Grenzwerten der mechanischen Eigenschaften).

Wird für eine Anwendung der Zustand H112 gefordert, darf kein Werkstoff mit anderem Zustand verwendet werden. Aus Werkstoffen in diesem Zustand werden z.B. Walzplatten für Druckbehälter hergestellt

Werkstoffzustände „Txxx“

Zustände Txxx gelten für alle aushärtbaren Aluminium Werkstoffe (Legierungsreihen 2xxx, 6xxx und 7xxx). Die Werkstoffe sind ausgehärtet, eine weitere Aushärtung durch thermische Behandlung macht keinen Sinn und kann zur Schädigung des Gefüges und somit zum Verlust der mechanischen und technologischen Eigenschaften führen.

Die wichtigsten Zustände sind:

Zustände T4xx gelten für alle kaltausgelagerten Aluminium Werkstoffe. Der wichtigste T4xx-Zustand ist:

T451 - lösungsgeglüht und durch kontrolliertes Recken entspannt

(Reckgrad: Bleche 0,5% bis 3%, Platten 1,5% bis 3%, gewalzte oder kalt nachverformte Stangen 1% bis 3%, Freiformschmiedestücke oder geschmiedete und gewalzte Ringe 1% bis 5%) und kaltausgelagert. Die Erzeugnisse werden nach dem Recken nicht nachgerichtet.

Nach dem Umformen werden die Erzeugnisse lösungsgeglüht, abgeschreckt und bei Raumtemperatur so lange gelagert, bis sie die max. erreichbare Festigkeit erlangt haben. Die wichtigste Legierung ist EN AW 2017A. Dieser Werkstoff zeichnet sich durch hohe thermische Belastbarkeit (Dauertemperatur bis ca. 180° C, Kurzzeitig bis ca. 220° C) und durch eine sehr hohe Beständigkeit gegenüber Spannungsrisskorrosion aus. Die hohe Wärmeleitfähigkeit macht diesen Werkstoff auch für den Formenbau interessant.

Obwohl diese Werkstoffe durch Recken entspannt sind, weisen diese enorme Eigenspannungen auf.

T452 - lösungsgeglüht, durch 1% bis 5% bleibende Stauchung entspannt und kaltausgelagert.

Hier erfolgt das Entspannen nicht durch Recken sondern durch Stauchen. Die Werkstoffeigenschaften entsprechen weitestgehend denen von T451. Werkstoffe in diesem Zustand werden zumeist ab Dicke >140 mm angeboten.
Zustände T6xx gelten für alle warmausgelagerten Aluminium Werkstoffe. Aluminium Legierungen in diesen Zuständen sind unter thermischen Belastungen recht kritisch, insbesondere Werkstoffe aus der AlZnMgCu-Gruppe (z.B. EN AW 7010, 7022, 7050, 7075). Die in den Datenblättern genannten maximalen thermischen Belastungsgrenzen sollten keinesfalls überschritten werden, als  Folge können eine schleichende, dauerhafte Entfestigung und irreversible Gefügeschädigungen eintreten. Dagegen verzeihen Werkstoffe aus der AlZnMg-Gruppe (z.B. EN AW-7019, 7020, 7021) sowie aus der Reihe EN AW 6xxx durchaus kurzzeitige Überschreitungen der zulässigen Temperaturen.

Die wichtigsten T6xx-Zustände sind:

T651 - lösungsgeglüht und durch kontrolliertes Recken entspannt

(Reckgrad: Bleche 0,5% bis 3%, Platten 1,5% bis 3%, gewalzte oder kalt nachverformte Stangen 1% bis 3%, Freiformschmiedestücke oder geschmiedete und gewalzte Ringe 1% bis 5%) und warmausgelagert. Die Erzeugnisse werden nach dem Recken nicht nachgerichtet.

Werkstoffe in diesem Zustand sind noch nicht vollständig ausgehärtet. Sie weisen eine hohe Festig-, gute Zähig- und legierungsabhängig ausreichende Beständigkeit gegenüber Korrosion auf. Legierungen in diesem Zustand aus der Reihe EN AW 7xxx sind jedoch sehr anfällig gegenüber Spannungsrisskorrosion. Typische Werkstoffe sind z.B. EN AW-6082, 7022, 7075.

T652 - lösungsgeglüht, durch 1% bis 5% bleibende Stauchung entspannt und kaltausgelagert

Hier erfolgt das Entspannen nicht durch Recken sondern durch Stauchen. Die Werkstoffeigenschaften entsprechen weitestgehend denen von T651. Werkstoffe in diesem Zustand werden zumeist ab Dicke >140 mm angeboten.

T6 - lösungsgeglüht und warmausgelagert

Nach dem Umformen werden die Werkstoffe lösungsgeglüht, abgeschreckt und warmausgelagert. Der Zustand T6 sagt aus, dass das Metall die maximale Festigkeit aufweist, die durch thermische Behandlungen erreichbar ist. Ein Entspannen des Metalls erfolgt nicht. Die Folgen sind extreme Eigenspannungen, sehr große Sprödigkeit und hohe Anfälligkeit gegenüber Korrosionen, bei Werkstoffen aus der Legierungsreihe EN AW 7000 auch hinsichtlich Spannungsrisskorrosion (SpRK). Unter dynamischen Belastungen sollten Werkstoffe der Legierungsreihe 7000 im Werkstoffzustand T6 keinesfalls verwendet werden.

Zustände T7xx gelten für alle warmausgelagerten Aluminium Werkstoffe aus der Reihe EN AW 7xxx, die anwendungsspezifische Eigenschaften aufweisen müssen. Werden für eine Anwendung die Zustände T7xxx, insbesondere T73xx und T74xx gefordert, darf kein Werkstoff mit anderem Zustand verwendet werden. Aluminium Legierungen in den Zuständen T73xx und T74xx werden auch als „Luftfahrtlegierungen“ bezeichnet und werden neben der Luftfahrt auch für sicherheitsrelevante Bauteile verwendet. Unter thermischen Belastungen reagieren diese Werkstoffe wie in den T6xx-Zuständen.

Die wichtigsten T7xx-Zustände sind:

T7351 - lösungsgeglüht und durch kontrolliertes Recken entspannt

(Reckgrad: Bleche 0,5% bis 3%, Platten 1,5% bis 3%, gewalzte oder kalt nachverformte Stangen 1% bis 3%, Freiformschmiedestücke oder geschmiedete und gewalzte Ringe 1% bis 5%) und überhärtet (warmausgelagert) zur Erzielung einer optimalen Beständigkeit gegen Spannungsrisskorrosion. Die Erzeugnisse werden nach dem Recken nicht nachgerichtet.

Die wichtigste Legierung ist hier die EN AW-7075 T7351. Zugunsten der Korrosionsbeständigkeit, Zähigkeit und minimierten Eigenspannungen wird auf die max. Festigkeit verzichtet. Für Anwendungen, bei denen nicht dieser Zustand gefordert ist, sind diese Werkstoffe überqualifiziert.

T7451 - lösungsgeglüht und durch kontrolliertes Recken entspannt

(Reckgrad: Bleche 0,5% bis 3%, Platten 1,5% bis 3%, gewalzte oder kalt nachverformte Stangen 1% bis 3%, Freiformschmiedestücke oder geschmiedete und gewalzte Ringe 1% bis 5%) und überhärtet (warmausgelagert) (zwischen T73 und T76).Die Erzeugnisse werden nach dem Recken nicht nachgerichtet.

Die wichtigste Legierung ist hier die EN AW 7050 T7451. Die Eigenschaften ähneln sehr dem Zustand T7351.

Wichtige Werkstoffzustände von nicht umgeformten Aluminium Legierungen ( Aluminium Gussplatten)

 

Werkstoffzustände „Ox“

Zustände Ox können bei allen Aluminium Legierungen eingestellt werden. Die Zustände „O“ unterteilen sich in O, O1, O2 und O3. Für Aluminium Gussplatten ist nur der Zustand O3 einstellbar. Anwendung findet dieser überwiegend bei naturharten, nicht aushärtbaren Legierungen der Reihe EN AW 5xxx.

 

O3 - homogenisiert

Beim Homogenisieren werden Ausgleichs- und Auflösungsvorgänge im Gefüge angeregt sowie Gussspannungen abgebaut, Seigerungen aufgelöst und übersättigte Legierungselemente an den Korngrenzen ausgeschieden. Dies führt bei korrekter Wärmebehandlung zu einem absolut homogenen Gefüge über den gesamten Barrenquerschnitt, nahezu vollständiges isotropes Verhalten und zu einem extrem spannungsarmen Werkstoff. Nicht umgeformte Werkstoffe in diesem Zustand sind thermisch sehr belastbar und stabil und weisen keine (negativen) richtungsabhängigen Eigenschaften auf. Die wichtigsten Produkte sind die Aluminium Gussplatten aus der Legierung EN AW-5083 (AlMg4,5Mn0,7) und hier wiederum die Werkstofftypen G.AL® C210R, G.AL® C210 DYNAMIC, G.AL® C250 und G.AL® C250 ELOXPLUS

Werkstoffzustände T4, T6 und T79 bei Aluminium Gussplatten

Diese Zustände können bei allen aushärtbaren Legierungen EN AW 7xxx eingestellt werden. Bei Aluminium Gussplatten aus der Reihe EN AW 7xxx, Gruppe AlZnMg (z.B. EN AW-7021) sollte auf die Zustände T4xx und T6xx verzichtet werden.

 

T4 - lösungsgeglüht und kaltausgelagert

T4  kann in AlZnMg-Gruppe zu instabilen Verhältnissen über den gesamten Querschnitt führen. Selbst geringe thermische Belastungen können zudem eine lokale Warmauslagerung anregen. Massive Eigenspannungen können die Folge sein, die sogar die Entstehung von Haarrissen nach sich ziehen können. Von der Verwendung von Aluminium Gussplatten im Zustand T4 sollte generell Abstand genommen werden.

T6 - lösungsgeglüht und warmausgelagert

T6 bedeutet, dass die maximale Festigkeit der Werkstofftype erreicht ist. Dies bedeutet gleichzeitig, dass das Metall maximale Eigenspannungen, hohe Anfälligkeit gegenüber Korrosion und eine enorme Sprödigkeit aufweist. Dieser Zustand ist für die primären Eigenschaften von Aluminium Gussplatten, hohe Festigkeit und extreme Spannungsarmut,  vollkommen kontraproduktiv. Von der Verwendung von Aluminium Gussplatten im Zustand T6 sollte generell Abstand genommen werden.

T79 - lösungsgeglüht und (sehr begrenzt) überhärtet (warmausgelagert)

Der Zustand T79 gewährleistet bei Aluminium Gussplatten sehr hohe Festigkeiten, gute Zähigkeit und extreme Spannungsarmut des Metalls. Gussplatten in diesem Zustand werden zumeist aus der Legierung EN AW-7021 (AlZn5,5Mg1,5) hergestellt. Um diesen Zustand optimal einstellen zu können, muss die notwendige Wärmebehandlung eine Temperaturführung von <±3° C gewährleisten können (dies bedarf einer Einzel-Barren-Wärmebehandlung in elektrisch beheizten Öfen. Gasbefeuerte Öfen können ein solches Temperaturfenster nicht gewährleisten).

Die wichtigsten Werkstofftypen mit den geforderten Qualitäten sind G.AL C330R, G.AL C330 und G.AL C330 DYNAMIC

Diagramm der T6xxx/T7xxx-Werkstoffzustände

Diagramm

FAQ

Häufig gestellte Fragen zu diesem Artikel:

Warum sind Werkstoffzustände spezifisch für bestimmte Aluminiumlegierungen und wie beeinflussen sie deren Eigenschaften im Vergleich zu anderen Metalllegierungen?

Werkstoffzustände sind spezifisch für bestimmte Aluminiumlegierungen, da sie den aktuellen Fertigungsstand sowie thermische und mechanische Behandlungen anzeigen. Diese Zustände beeinflussen die mechanischen Eigenschaften des Materials und dessen Verhalten während der weiteren Bearbeitung, wie beispielsweise beim Zerspanen. Im Vergleich zu anderen Metalllegierungen bieten Aluminiumlegierungen eine breite Palette an Werkstoffzuständen, die es ermöglichen, ihre Eigenschaften für verschiedene Anwendungen zu optimieren.

Gibt es branchenübergreifende Standards oder Richtlinien zur Auswahl des geeigneten Werkstoffzustands für spezifische Anwendungen im Formen-, Maschinen-, Werkzeug-, und Vorrichtungsbau?

Es existieren branchenübergreifende Standards und Richtlinien zur Auswahl des geeigneten Werkstoffzustands für spezifische Anwendungen im Formen-, Maschinen-, Werkzeug- und Vorrichtungsbau. Diese Standards basieren oft auf Normen wie der DIN EN 515:1993, welche die Werkstoffzustände verbindlich festlegt. Diese Richtlinien helfen dabei, die richtige Materialwahl für bestimmte Anforderungen hinsichtlich Festigkeit, Dauerhaftigkeit und Verarbeitbarkeit zu treffen.

Welche praktischen Maßnahmen können Ingenieure und Hersteller ergreifen, um sicherzustellen, dass die gewählten Werkstoffzustände den spezifischen Anforderungen ihrer Anwendungen entsprechen und wie können potenzielle Probleme wie Entfestigung oder Gefügeschädigung vermieden werden?

Um sicherzustellen, dass die gewählten Werkstoffzustände den spezifischen Anforderungen ihrer Anwendungen entsprechen, können Ingenieure und Hersteller verschiedene Maßnahmen ergreifen. Dazu gehören die genaue Analyse der Anforderungen an Festigkeit, Haltbarkeit und Verarbeitbarkeit, die Auswahl des geeigneten Werkstoffzustands gemäß den Normen und Richtlinien sowie die Durchführung von Tests und Analysen, um potenzielle Probleme wie Entfestigung oder Gefügeschädigung frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Durch eine sorgfältige Materialauswahl und -behandlung können Fehlfertigungen und unkalkulierbare Kosten minimiert werden.

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